Bergspezialisten vs. Zeitfahrspezialisten

Rik

New member
Hallo
Habe heute nachmittag gerade noch die letzten Minuten des Zeitfahrens an der Tour mitbekommen. Respekt vor Jan Ullrich, aber auch Anerkennung für Armstrong (der dieses Jahr nicht sehr souverän wirkt.....)
Jetzt aber: Was ist der (physiologische Unterschied) zwischen einem Bergspezialisten wie Virenque oder Mayo und einem Zeitfahrspezialisten wie Ullrich, Armstrong, Botero etc.
Ich meine doch, dass beide eine fähig sein müssen lange an oder über der Schwelle zu fahren und dabei viele Watt zu treten. Beide erbringen diese Leistung über eine vergleichbare Zeit. Heute war die Siegerzeit etwa 1h. Ein echter Pyrenäen- oder Alpenpass wird auch in einer Zeit die der Langzeitausdauer II zuzordenen ist gefahren.
Dennoch: Bergspezialisten sind miserable Zeitfahrer (im Vergleich); umgekehrt ist der Unterschied nicht derart krass.
Ullrich und Armstrong sind ja recht komplette Fahrer.

Aber eben, wo ist der Unterschied??

Grüsse
Rik
 
A

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Re: Bergspezialisten vs. Zeitfahrspezialisten
Leistungsgewicht

Soweit ich weiß, spielt das Leistungsgewicht die entscheidende Rolle. Ein Bergspezialist tritt mitnichten die selbe Wattzahl wie ein Ullrich oder Armstrong. Dafür sind Bergspezialisten leichter und kommen somit auch mit weniger Leistung den Berg schnell hoch. Im Flachen zählt aber die absolute Wattzahl.

Carsten
 
Ullrich ist das Paradebeispiel für die Aussage, daß ein Wettkampf im Kopf gewonnen wird. Unabhängig vom Thema Doping reichten Ullrichs fahrerische Anlagen und deren Umsetzung aus, die Tour de France auch auf einem Kinder-Dreirad zu gewinnen.

Ich habe Ullrich seit 1997 immer mit M. Schumacher verglichen. Dem Gemüt und der Einstellung nach ähnelt Schumacher dem Amerikaner Armstrong. Ullrich war dagegen nie einer, der sich für Erfolge groß anstrengen wollte oder - meine Ansicht - sein Talent in Erfolgen aufgewogen sehen wollte. Sein Tour-Gewinn ist ihm auch eher zufällig zuerteilt worden. Ich habe noch sehr deutlich Ries und Ullrich 96 und 97 vor Augen, als Ullrich in den Pyrenäen mal eben kurz Wasser holen gegangen ist und Ries und die restliche Spitze ohne große Mühe wieder einholte. Beeindruckend, diese Leichtigkeit.

Daß Ullrich insbesondere das Zeitfahren liegt, ist bekannt. Er war auch Weltmeister in dieser Disziplin. Legendär war auch sein Zeitfahren 1997, als er Virenque, der vor ihm startete überholte. Im Ziel mußte man Ullrich mit dem Lasso einfangen, der wäre damals bald gleich nach Paris durchgetreten. Schade, daß er nicht immer so fährt.

Nach der XTC-Affäre ist es ihm um so mehr zu gönnen, daß er zeigen kann, was er drauf hat.

LG,

René
 
Re: Leistungsgewicht

Hi Carsten
Danke zunächst mal!
Das wäre dann auch der Grund, weshalb ein guter Zeitfahrer auch am Berg stark ist (sh. Armstrong oder Ullrich).
Wer eine hohe absolute Wattzahl treten kann, der wird (zumindest bei durchtrainierten Profis :winke:) eine hohe relative Wattzahl (W/kg) aufweisen. Aber das umgekehrte dürfte wohl nicht der Fall sein, was die Realität auch deutlich zeigt (Mayo hat heute 5min auf Ulle verloren, von Virenque ganz zu schweigen....:))

Grüsse
Rik
 
Ich erinnere mich noch an eine Etape mit Bergankunft, bei der Ullrich aufgrund eines technischen Defektes, anhalten musste und dann das Rad eines Teamkolegen nehmen musste. Anschließend konnte man vom Hubschrauber aus beobachten, wie er das Feld von hinten aufgeräumt hatte, bis er wieder bei Pantani war, der fairerweise auf ihn gewartet hatte bevor er angriff. Wie Ullrich damals durchs Feld gepflügt ist, lässt einem schon eine Gänzehaut bekommen.

Besonders seit ich soviel Laufe, bekomme ich immer mehr Respekt vor solchen Leistungen.

Gruß

Carsten
 
Hi
Ich muss auch zugeben, dass ich einen Höllenrespekt vor solchen Leistungen habe - mit oder ohne Doping!
Man muss sich nur mal vergegenwärtigen, was es heisst während drei Wochen jeden Tag ein 150-200km-Rennen mit teilweise beachtlicher Höhenleistung zu fahren. Gerade die Favoriten dürfen sich ja in drei Wochen niemals einen schlechten Tag leisten, müssen also immer voll präsent.
Aber auch jeder andere sog. Helfer, der am Ende in Paris ankommt hat viel zu leisten.

Grüsse
Rik
 
Mir zittern noch die Hände, nach dem Zieleinlauf von Jan vor wenigen Minuten.

Das war einfach nur genial. Jan hat es einfach drauf. Es sind so viele Kleinigkeiten, scheinbar unbedeutende Details und Nuancen die aufzeigen, welch Wunderkind Jan ist.

Armstrong kann trotz eines Teams, das dem FC Bayern auf Rädern gleicht, Jan nicht distanzieren. Schon beim Mannschaftszeitfahren fuhr Jan weite Strecken im Wind.

Danke Jan, Armstrong, Winokourow usw. für diese grandiose Vorstellung. Weiter so!

LG,

René
 
Ja, das war schlicht Sonderklasse! Man hat jetzt deutlich gesehen, dass Armstrong nicht kann....!!! oder nicht will??
Ullricht hingegen hat gezeigt, dass er die Möglichkeiten hat, die Tour zu gewinnen, Team hin oder her! Am Ende nützt das beste Team der Welt nix, wenn der Kapitän selbst schwächelt.
Am Berg und im Zeitfahren ist jeder auf sich gestellt, man hat's ja heute gesehen!

Grüsse
Rik, der auf einen weiterhin spannende Tour hofft!
Auf dass sie einen würdigen Sieger haben wird :winke::lol:
 
hallo rik,
carsten hat es dir bereits erklärt - das körpergewicht ist entscheidend. beim zeitfahren ist die absolute VO2max das leistungsbestimmende kriterium, auf dem berg die relative VO2max.
selbst bei gleicher W/kg leistung hätte der leichtere rennfahrer auf dem berg vorteile.
armstrong, ullrich und winokurov können beides (ich hab dir schon mal gepostet, dass ullrich schon mit 14 jahren eine rel. VO2max von über 80 ml hatte! stichwort "genetik"! bei armstrong war es nicht anders)
armstrong ist erst seit seiner erkrankung, die ihm fast 10 kg gekostet hat, ein spitzen-bergfahrer. im zeitfahren wäre er noch stärker, wenn er ein paar kilo mehr hätte, im flachen rollt "masse" besser. aber abgenommen hat er hauptsächlich am oberkörper, und das ist im radsport zweifellos vorteilhaft. außerdem hat er eine perfekte aerodynamik und eine wahnsinns tretökonomie bei einer frequenz, die außer ihm niemand schafft. ullrich tritt ja auch um einiges höherfrequenter als früher.
was rené über ullrich sagt, stimmt. bei ihm ist es eine sache des kopfes, sprich der einstellung, und er ist offensichtlich gereift. das thema HGH, EPO, synacthen und testosteron lassen wir mal beiseite... (wenn man ullrich sieht, nicht nur seine beine, sondern v.a. sein gesicht, weiß man, wieviel es geschlagen hat). was man nicht vergessen sollte, ist der umstand, dass ullrich sich ausschließlich auf die "tour" vorbereitet hat, und dafür über ein jahr zeit hatte, armstrong hingegen schon seit monaten rennen und rundfahrten bestreitet, was natürlich substanz kostet.
obwohl armstrong immer noch sehr stark ist, ist er offensichtlich nicht mehr in der lage, mit der konkurrenz zu "spielen". noch vor einem jahr hat er erfolgreich attackiert, wann er wollte, und niemand konnte ihm folgen. diesmal ist er derjenige, der die attacken von winokurov (der ist bärenstark und mein geheimtipp) und von ullrich, die noch kommen werden (vermutlich heute) parieren muss. von seinem team ist niemand (mehr) dazu in der lage.
irgendwie hab ich das ungute gefühl, dass sich hinter armstrongs "formschwäche" - wenn man überhaupt davon sprechen kann - möglicherweise ein beginnendes rezidiv sener krebserkrankung verbergen könnte. ich hoffe, ich irre mich! aber wenn ich sein gesicht betrachte, scheint er an substanz verloren zu haben, von einem wangenfettkörper ist nichts mehr zu sehen. vielleicht ahnt er auch etwas in dieser richtung und will deshalb unbedingt die tour ein fünftes (und letztes?) mal gewinnen... ich wünsche es ihm von ganzem herzen.
hast du armstrongs buch gelesen? wenn nicht, tu es und du hast noch mehr hochachtung vor ihm (nicht nur, weil er als amerikaner mittlerweile perfekt französisch spricht)
gruß, kurt (kein schlechter zeitfahrer, aber mit seine 82kg am berg nur mittelmäßig)
 
A

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Re: Bergspezialisten vs. Zeitfahrspezialisten
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