Das ist, denke ich, eine Mischung.
1. Wenn ich mir teilweise die legasthenische Jugend so ankucke (nicht bös gemeint, aber viele Junge wachsen halt vor dem Computer/PC/Handy/Tablet auf), sind ganz einfach die koordinativen Grundlagen absolut nicht da. Einen Liegestütz musste ich nicht erst in nem Tutorial lernen - wer mit den anderen Dorfjacken auf Bäumeklettert oder irgendwo durchkrabbelt bzw. mit im Haus arbeiten muss, kann das als Kind bereits. Ich sehe vor allem in meiner Crossfit-Box Neueinsteiger von 20 Jahren, denen man Werfen und Springen beibringen muss, als hätten sie das noch nie gemacht. Und man holt das in dem (für Lernprozesse) fortgeschrittenen Alter nicht nach. Rennen, Werfen, Springen, Hocken, Heben - all das müssen von Kindesbeinen an automatisierte Dinge sein.
2. Das Erlernen einer Übung erfolgt im Studio verstandesgesteuert, nicht mehr instinktiv. So viele sind völlig von ihrem Körpergefühl entkoppelt, dass man fast heulen möchte. Die lesen Bücher oder schauen Youtube-Videos an, um eine Bewegung zu erlernen. Das geht voll in die Hose - wenn man es nicht spürt, kann man noch so sehr versuchen, etwas nachzumachen, man wird scheitern. Die Konsequenz: Junge Kerle, die nichtmal 60 kg beugen können und trotzdem rumschreien und die wildesten Hashtags unter ihre Instagram-Fotos posten. Aber sie können nichts dafür, ist halt unsere Zeit, in der Verstand und Logik das Gefühl weitgehend verdrängt haben.
3. Die Sache mit den Billig-Studios. Es stimmt: an einer Maschine kann man sich fast nicht verletzen, aber trotzdem wilde Sau spielen. Nahezu ohne Betreuungsaufwand kann man die Trainierenden für 20 Euro im Monat auf die Fläche lassen. ABER: Maschinen wurden für Bodybuilder entworfen, die bereits ein hohes Maß an durch Freihantel-Grundübungen aufgebauter Muskulatur verfügen. Aber versuch mal, dich von 5 Sätzen á 180 kg Kniebeugen zu erholen, das dauert. Man brauchte also etwas, um den Muskel isolieren zu können, um damit den Gesamtstress zu reduzieren. Beinbeuger und Beinstrecker waren geboren. Maschinen haben also ihre Berechtigung: für bereits sehr starke, muskulöse, erfahrene Bodybuilder. Für Anfänger sind sie völlig kontraproduktiv - man macht null Fortschritte, eben weil keine Ganzkörperanstrengung nötig ist und sich das ZNS kaum beansprucht sieht. Dementsprechend gering ist die Ausschüttung an Wachstumshormonen und Testosteron. Das ist dann auch die geilste Folge in den McFits dieser Welt: aufgrund ausbleibender Erfolge mit ihrem 5er-Maschinen-Split ohne Beine fangen die 60-kg-Poser dann auch noch an, zu ballern. Ist aber jetzt zu abschweifend.
4. Maschinen verschleißen. Ein Studio mit vielen Maschinen muss alle 5 - 10 Jahre seinen kompletten Gerätepark auswechseln, um up-to-date zu bleiben. Es entwickelt sich eine regelrechte Industrie. Hersteller liefern neue Teile und entwickeln "bessere" Geräte, neue Trends und Must-haves. Das ewig gleich aussehende Studio-Schaf setzt also all seine unerfüllten Hoffnungen auf den neuen Bosu-Ball, Rüttelplatte, Kabelturm, mitdrehenden Bauchtrainer etc. Das hält den Geldfluss schön am Laufen. Im Gegensatz dazu die Oldschool-Pumperbude: ein paar Racks, ein paar Hantelstangen und Scheiben - das hält Jahrzehnte und ist für nen Appel und ein Ei zu haben. Zudem wirkt es. Wer im Kniebeugen 10 Wdh mit 150 kg macht, hat Beine. Lässt sich aber kein Geld damit machen.
5. Maschinen wirken wie Wissenschaft und sind sauber. Unsere Gesellschaft steht auf alles, was nach Autorität klingt: Doktorentitel, Studien oder hohe Ämter etc. Eine Maschine kann neu entwickelt sein und folgt damit dem komplizierten Gedankengang eines Wissenschaftlers. Das muss also viel effektiver sein, als so eine blöde Langhantel. Dazu lehnen wir ja auch alles ab, was böse, laut und dreckig ist, denn wir sind ja zivilisiert. So ein schönes Maschinchen im stillen, sauberen Studio kommt unserer Gentleman-Einstellung da doch wesentlich besser entgegen, als ein nach Schweiß stinkender Raum voller muskulöser Brüllaffen. Wer hat wohl die besseren Erfolge?
Fazit:
Maschinen sind Zeitverschwendung für Anfänger, im schlimmsten Fall sogar der Grund für Stagnation. Die einzigen beiden Maschinen, die ich überhaupt weiterempfehle, sind unterstütze Dips und unterstützte Klimmzüge.