Haltungsabweichungen der Wirbelsäule - Basics

GStar04

Well-known member
Grundlagen – Wirbelsäule

Ich denke dass die meisten hier mit der Anatomie der Wirbelsäule vertraut sind, die können diesen ersten Teil gerne überspringen.
Die Wirbelsäule besteht sozusagen aus vier Bereichen. Diese sind von oben nach unten die Halswirbelsäule, Brust- und Lendenwirbelsäule und dem Kreuzbein/Steißbein. Die oberen drei bestehen aus unterschiedlich vielen Wirbeln. Zwischen diesen Wirbeln befinden sich die Bandscheiben, eine verformbare, weiche ‚Platte‘ die wichtig für Bewegungen wird. Sobald man sich also bückt, dreht usw bewegt sich jeder Wirbel mit Hilfe der Bandscheibe ein kleines Stück. Die Summe dieser kleinen Bewegungen bewirkt dann dass wir über einen großen Bewegungsradius mobil sind. Beim Bandscheibenvorfall kann es dazu kommen dass Bandscheiben gequetscht oder verschoben werden, dass kann zu starken Schmerzen führen, da die Bandscheiben dann oft auf den nebenan verlaufenden Nervenstrang drücken. Aber darum geht es ja gerade nicht.
Normalerweise sieht die Wirbelsäule aus wie der langgestreckte Buchstabe ‚S‘. Die Wirbelsäule hat natürliche Krümmungen. Die im Lendenwirbelbereich nennt sich ‚Lordose‘ und die im Brustwirbelbereich ‚Kyphose‘. Ich denke aber jeder weiß wie eine gesunde Wirbelsäule aussieht. ;) Ausgehend von diesem Bild gibt es nun Haltungsveränderungen in der Wirbelsäule, auf zwei davon werde ich nun näher eingehen:


Der Hohlrücken/Hohlkreuz (Hyperlordose)

Was ist eigentlich ein Hohlrücken?
Ein Hohlrücken, umgangssprachlich auch Hohlkreuz genannt, ist die Verkrümmung der Wirbelsäule im Lendenwirbelbereich. Das heißt die Wirbelsäule verschiebt sich im Bereich der 5 Lendenwirbel nach ‚vorne‘. So entsteht das klassische Hohlkreuz, bei dem die Einbuchtung im unteren Rücken deutlich sichtbar und erfühlbar ist. Das Gute daran ist dass der Arzt (oder man selbst) ein Hohlkreuz relativ schnell erkennt. Das Schlechte … naja ihr habt ein Hohlkreuz. Personen mit Hohlkreuz sehen auch oft aus als ob sie am Bauch eine Last tragen würden, bei schwangeren Frauen tritt oft die Hyperlordose auf, was sich dann auch als Rückenschmerzen äußert.
Da wären wir auch schon beim ersten Symptom, den Rückenschmerzen. Das hindert einige Menschen auch am normalen Teilhaben am alltäglichen Leben. Jeder der schon einmal Rückenschmerzen hatte weiß was ich meine ;). Ein weiteres Symptom ist die eben schon erwähnte Fehlhaltung.

Wie entsteht denn jetzt so ein Hohlkreuz?
Grundsätzlich halten die Hüft-Lendenmuskulatur und die relativ starke Gesäßmuskulatur das Becken in der richtigen Stellung, die Rückenmuskulatur stabilisiert die Wirbelsäule. Somit sollte es bei ‚normaler‘ bzw starker Muskulatur nicht zu einem Hohlkreuz kommen, sollte jedoch die genannte Muskulatur verkürzt (oder zu schwach) sein, so kippt das Becken nach vorne und ‚zieht‘ sozusagen die Wirbelsäule im Bereich der Lendenwirbelsäule mit nach vorne/innen. So wird außerdem der Beinbizeps/Gluteus (über)dehnt, da dieser „mitgehen“ muss, wenn sich der Ansatzpunkt der Sehnen verschiebt.
Ein Hohlrücken hat die Besonderheit dass er so gut wie nie angeboren ist. Das heißt die Menschen die unter einer Hyperlordose leiden haben sich sozusagen durch verschiedene Tätigkeiten/Fehlhaltungen selbst ‚umgeformt‘. Vor allem bei Sitztätigkeiten mit schlechten Stühlen und dem „übertriebenen Aufrechtsitzen“ entsteht ein Hohlrücken.
Die Damen der Schöpfung tragen ja auch gerne mal hohe Hacken: Auch das Gehen auf dem Vorderfuß, also auf Zehenspitzen zu laufen kann über längeren Zeitraum zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule führen. Probiert es aus! Stellt euch auf Zehenspitzen und lauft so aufrecht es geht durchs Haus. Man spürt dann normalerweise schon wie sich die Haltung ändert. Allerdings ist gelegentliches High-Heel tragen nicht sonderlich schädlich, hier gilt wie so oft: Die Dosis macht das Gift.

Was sind die Gefahren von so einem Hohlrücken?
Ohne eine Behandlung kann sich durch die Veränderung der Wirbelsäule der Wirbelkanal verengen, was Auswirkungen auf das Nervensystem haben kann. Außerdem werden die Wirbel ungleichmäßig belastet, wodurch sich die Bandscheiben der stärker belasteten Wirbel schneller abnutzen. Dies führt zu einem erhöhten Risiko für einen Bandscheibenvorfall. Bei einem sehr stark ausgeprägten Hohlkreuz berühren sich die Dornfortsätze der Wirbel und reiben aneinander, was eigentlich nicht passieren sollte.

Was unternimmt man nun wenn man ein Hohlkreuz hat?
Im Anfangsstadium reicht die einfache Rückenschule: Die Patienten lernen die richtige Körperhaltung und einfache Übungen gegen das Hohlkreuz. Meistens sind die Therapien darauf gerichtet die Verkürzten Muskeln zu dehnen. Begleitend dazu wird oft eine Schmerztherapie durchgeführt, um den Patienten den Alltag wieder zu erleichtern.
Falls das Hohlkreuz und die Verkrümmung der Wirbelsäule bereits sehr weit fortgeschritten sind können einige Symptome operativ behandelt werden. Dies kommt aber meistens nur zum Einsatz wenn vorher jede andere Methode nicht angeschlagen hat.
Zur Vorbeugung von einem Hohlkreuz wird dazu geraten schon im Kindesalter die richtige Körperhaltung zu lernen. Außerdem sind Sportarten wie Nordic Walking oder einfaches Joggen fördernd für die aufrechte und normale Haltung der Wirbelsäule.



Der Rundrücken/Buckel (Hyperkyphose)

Was ist eigentlich ein Rundrücken?
Beim Rundrücken verändert die Wirbelsäule ihre natürliche Form im Bereich der Brustwirbelsäule. Die Wirbel der BWS sind dabei nach hinten verschoben, was so aussieht als wäre die Wirbelsäule in diesem Bereich zusammengestaucht worden und hätte sich nach hinten/außen gekrümmt. Dadurch entsteht der klassische „Buckel“. Der Unterschied zur Hyperlordose ist hierbei, dass die Hyperkyphose angeboren sein kann. Sie kann aber auch erst nachträglich entstehen.
Der Rundrücken verursacht genauso wie der Hohlrücken Rückenschmerzen und die deutlich erkennbare Fehlhaltung. Diese Fehlhaltung kann zu Bewegungseinschränkungen führen. Dadurch dass die Veränderung der Wirbelsäule auch bis in den Hals und den Hinterkopf ‚reinzieht‘ können Kopfschmerzen entstehen.

Wie entsteht so ein Rundrücken?
Der Hauptgrund für einen Rundrücken, wenn er nicht angeboren ist, ist ein Bewegungsmangel, welcher dazu führen kann das die stabilisierende Rückenmuskulatur zu schwach wird. Außerdem kann eine dauerhafte unnatürliche Haltung beim Sitzen, Stehen oder Gehen auch zu einer Haltungsabweichung führen. Ein weiterer Grund kann ein Wirbelbruch sein.
Der andere Grund, wie schon genannt, ist das der Rundrücken angeboren sein kann.

Was sind die Gefahren bei einem Rundrücken?
Sobald ein Rundrücken erkannt wird, wird im Normalfall eine Röntgenaufnahme gemacht um festzustellen wie weit der Rundrücken ausgeprägt ist. Eine stark ausgeprägte Hyperkyphose kann durch die Kopfschmerzen und die Fehlhaltung schwerwiegende Folgeerscheinungen wie Schlafstörungen haben, die teilweise auch bis zu psychischen Störungen führen können.
Durch die Verkrümmung im Brustwirbelbereich wird außerdem der Brustkorb verschoben und dadurch können Herz und Lunge in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.
Ohne Behandlung kann der Rundrücken über längeren Zeitraum das Rückenmark schädigen und zu Schäden im Bewegungsapparat führen.

Was unternimmt man wenn man einen Rundrücken hat?
In einer Physiotherapie werden gezielt Rücken, Bauch und Rumpfmuskulatur gestärkt. Außerdem soll die Bauchatmung helfen eine aufrechte Körperhaltung zu bewahren. Beim Wirbelbruch werden die gebrochenen Wirbel mit Knochenzement (polymeres Methyl-Methacrylat) verstärkt, dass ähnlich wie ein Klebstoff ist.
In schweren Fällen kann genauso wie beim Hohlrücken operativ eingegriffen werden.


Eine weitere Form der Haltungsabweichung ist die Skoliose, bei der die Wirbelsäule von hinten betrachtet nicht nach oben gerade verläuft sondern sich nach links und rechts krümmt.


Abschließend lässt sich sagen dass regelmäßiger Sport und die bewusst aufrechte Körperhaltung im Normalfall ausreichen um eine Haltungsabweichung vorzubeugen. Außerdem sollte man als Kraftsportler bei Übungen wie Kniebeugen und Kreuzheben (aber auch bei jeder anderen Übung) auf die richtige Ausführung achten.
Heutzutage bieten die meisten Fitnessstudios sowieso schon Kurse für die Stabilisierung der Wirbelsäule und die Stärkung der Rumpf- und Rückenmuskulatur.

Lg GStar
 
Anschließend wollte ich noch sagen, ich bin kein Mediziner, lediglich habe ich mich für dieses Thema interessiert und mich im Internet und in Büchern informiert. Ich wollte auch nicht zu tief in die Materie eingehen, da mir dazu das fundierte Wissen eines Physiotherapeuten o.ä. fehlt, sondern einfach mal das Grundwissen vermitteln, falls sich jemand, genauso wie ich, dafür interessiert.
LG
 
Fein, dass Du Dich mit dieser Materie beschäftigst! Die eigene Anatomie zu kennen, würde viele Verletzungen vermeiden.

Allerdings gibt es ein paar Ergänzungen bzw. Korrekturen: Fast alle "gängigen" Statikveränderungen der WS werden in der Jugend (zwischen 10 und 17) erworben. In diesem Zeitraum wachsen wir höchst unregelmäßig, die Muskulatur kommt oft mit den sich schnell verändernden Knochen- und Gelenksstrukturen nicht mit und es können sich Haltungsfehler einschleichen, die wir als Jugendliche auch gern "ausleben" (Cooler Gang, abduzierte Arme, Rundrücken, etc.)
Selbst dann, wenn wir von außen betrachtet in späteren Jahren relativ gerade und anatomisch korrekt aussehen, kann ein Röntgen Aufschluss über diverse Irritationen geben.

Hohlkreuz: Wie Du geschrieben hast, handelt es sich um eine Hyperlordose der LWS. Hier ist anzumerken, dass Bauchmuskeltraining höchst kontraproduktiv ist. Der M. psoas major entspringt an den Körpern der Wirbel T 12 bis L 5 und bei jeder Verkürzung zieht er die LWS noch weiter nach vorne. Beste Ausgleichsübungen: Kniebeugen, Kreuzheben und Extensionen.
Übrigens korrigiert sich die Statik von Schwangeren nach der Schwangerschaft üblicherweise wieder, also habt keine Angst Mädels!

Eine andere Form des "Hohlkreuzes" ist eigentlich das Gegenteil, nämlich eine Streckhaltung der LWS. Dabei ist die natürliche Krümmung, die Lordose, zu schwach ausgeprägt oder fehlt und zusätzlich kann es als Ausgleich zu einem "Stockerlhintern" kommen. Also die LWS ist relativ zu gerade und der Hintern wird wie ein Entenpürzel nach hinten gestreckt. Hier können Bauchübungen wie hängendes Beinheben helfen. Bei Kniebeugen, Kreuzheben, Rudern, Bankdrücken, usw. darauf achten, dass das Becken nicht nach hinten ausweicht.

Bei einer Streckhaltung der LWS, ohne dass das Kreuzbein in einem zu starken Winkel nach hinten zeigt, ist es besonders wichtig, niemals die LWS nach hinten durchhängen zu lassen. Heißt, schlechtes Sitzen, bei dem die LWS nicht unterstützt ist, ist böse. Stabilisierungsübungen: Kreuzheben, Rudern, Lat-Ziehen (Nicht unterschätzen: Der Latissimus entspringt nicht nur von der unteren Hälfte der BWS, sondern auch über sehnige Faszien von der LWS, dem Kreuzbein und dem Darmbeinkamm!)

Fortsetzung folgt.
 
Danke für die Ergänzung!

Wie gesagt, ich bin kein Profi, hab einfach mal mein Wissen zusammengefasst, mit einigen Ergänzungen könnte das glaub ich ein guter Thread werden :)
 
... Bauchmuskeltraining höchst kontraproduktiv ist. Der M. psoas major entspringt an den Körpern der Wirbel T 12 bis L 5 und bei jeder Verkürzung zieht er die LWS noch weiter nach vorne.
.

Das Problem ergibt sich aber nur, wenn man Bauchübungen wählt, die in erster Linie den Psoas trainieren, z.B. Situps.

Im Übrigen verneige ich mich vor eurem Fachwissen, ist wirklich ein Gewinn für das Forum.

lg ratzfatz
 
Evtl wäre es erwähnenswert, dass oftmals massagen probleme beheben können. Ein guter masseur kann zb den illiopsoas ausfündig machen und triggern. Genauso wie piriformis wenn ein buttwink schnell auftaucht usw.
Das alles wäre mMn der tipp der wahl. Da das nach einem termin erledigt wäre. Wenns denn eine verkürzung ist.
 
Zurück
Oben