Wie viel Eiweiß auf einmal?

ich2

New member
Hallo!

Tut mir Leid, wenn diese Frage schonmal gestellt wurde, ich hab sie jedenfalls nicht gefunden.

Jemand sagte mir, der Körper könne nur 30g Eiweiß pro Mahlzeit verdauen, stimmt das?
Wenn ja, wie sollte man dann das Essen nach dem Training gestalten?
 
Ich habe diese Behauptung auch schon öfter gehört, bzw. auch gelesen (u.a. bei Dr. Strunz, der meinte, man müsste alle 4 Stunden 30g Eiweiß aufnehmen, um den Körper ausreichend zu versorgen). Manko: ich habe nie eine akzeptable Begründung dafür gefunden :).

Meines Wissens nach ist die allgemeine Regel beim Thema Verdauung "what you eat is what you get". Unter anderem nachzulesen in diversen Grundlagenbüchern der Physiologie. Begründung: die Absorptionsmöglichkeiten durch den Darm sins praktisch unbegrenzt. Was reguliert wird, ist die Magen-Darm-Motilität (das "Schieben" des Nahrungsbreis vom Magen durch die Darmabschitte nach unten, durch gezielte Muskelkontraktionen). Der Magen gibt dadurch den Speisebrei nur in Portionen an den Dünndarm ab, wodurch dieser Zeit hat, ihn nach und nach in seine Grundbestandteile, die Nährstoffe, zu zerlegen und an das Blut abzugeben. Bei größerer gegessener Menge dauert dieser Prozess dann eben länger, da die Magenverweildauer logischerweise erhöht ist. Und auch wenn man nur eine kleine Menge isst, und die eben nur aus Proteinen besteht, bleuibt eben dieser Proteinbrei auch so lange im Dünndarm, bis er fertig aufgeschlossen ist, dass die Reste in den Dickdarm abgegeben werden können.

Unterschiede in der Proteinverdauung zeigen sich in der Proteinquelle. Bei einer Standard-Testmahlzeit werden ca. 80-90% der Netto-Aminosäureresorption nach etwa 3 Stunden gemessen. Man geht dabei davon aus,dass tierische Proteine schneller und auch besser aufgespalten und aufgenommen werden, als pflanzliche. Da bei ihnen noch die Zellulosehülle von den Zellen zu spalten ist, bevor man an die eigentlichen Proteine gelangt. Ein hoher Faseranteil verlängert also die Verdauung, und er kann auch die Resorption einschränken (der Reststickstoffgehalt im Kot steigt dann von 10% auf bis zu 30% -> die Ausnahme von der what-you-eat-is-what-you-get-Regel, die sie dann wiederum bestätigt :)).

-> Exkurs: Proteine und Aminosäuren mengenmäßig direkt zu bestimmen ist etwas kompliziert, deswegen wird in der Praxis die einfache Variante über die mengenmäßige Bestimmung des Stickstoffs gewählt, da jede Aminosäure mindestens ein Stickstoffatom enthält. Bei Proteingemischen geht man der Einfachheit halber von 16g Stickstoff/100g Protein aus, was man dann zurückrechnen kann. Wen´s genauer interessiert: hauptsächlich wird die Methode nach Kjeldahl dafür genutzt.

Was weiterhin interessant sein könnte: ca. 30-80% des Proteins im Darm stammt gar nicht aus der Nahrung. Sondern aus abgestorbenen Zellen und Sekreten, die ins Darmlumen sezerniert werden (Schleim, Enzyme etc). D.h. es wird auch immer noch etwas wiederverwertet. Klar wird dadurch, dass die Verdauung und die Aufnahme von Proteinen ein Rund-um-die-Uhr-Prozess ist, was diese "30g-Regel" im Grunde noch unglaubwürdiger erscheinen lässt.

Grüße

Maria
 
Vielen Dank, Marry, hast mir sehr geholfen, jetzt muss ich mir keine Sorgen mehr machen, dass ich "zu viel" Eiweiß auf einmal esse!
 
hallo Marry, ich habe schon soviel durch Deine Ausführungen für mein eigenes Training/Ernährung gelernt. Auch hierfür wieder mein persönlicher Dank
 
ich habe mal gehört, dass zuviel eiweiss zu einem stickstoff überschuss im blut führt, der schädlich sein kann... wer weiss was dazu?
 
Kompliment. Endlich mal Kompetenz ohne Wichtigtuerei. Meine vor Jahren gestellte Frage war, folgende. Was ist mit Leuten wie mir (oder auch Südländern), die nur abends innerhalb von zwei/drei Stunden ihren Eiweissbedarf decken. Zb. heute abend 500 gramm Fleisch (in lecker Rotweinsosse mit italienischer Gemüsemischung) ca. 100 gramm eiweiss, 1Liter Milch ca. 30 gramm eiweiss, 250 gramm (Trockengewicht) Nudeln ca. 30 gramm Eiweiss. Gehen von den den 160 Gramm nun 130 gramm VERLOREN, wie die Proteinpulververkäufer behaupten?
 
Hallo Peter,

wie ich schon sagte weiß ich nicht, wie der Urheber dieser Aussage, auf die 30g-Regel kam. ich weiß nur, dass sie sich wohl sehr effizient verbreitet hat. Fakt ist, dass sicherlich aus 160g Nahrungsprotein nicht 160g Körpereigenes Protein gebastelt wird. Zum einen, weil während der Verdauung schon ein gewisser Teil verlorengeht (abhängig von der Nahrungszusammensetzung), wie es schon im vorhergehenden Beitrag erklärt wurde. Zum anderen, weil der Körper zwar ökonomisch arbeitet, aber überall Späne fallen, wo gehobelt wird. Die Proteinbausteine, die von der Darmwand aufgenommen werden, gelangen zuallererst über die Pfortader zur Leber. Das ist im Grunde das zentrale Verarbeitungsorgan unseres Stoffwechsels (Verdauung und Stoffwechsel sind dabei bitte zu unterscheiden). Sie sorgt dafür, dass immer nur eine bestimmte Menge freier Aminosäuren an das Blut abgegeben wird (Aufrechterhaltung der Homöostase), welche dadurch an die Zielgewebe transportiert werden. Je größer der Bedarf (z.B. durch Nahrungskarenz), desto mehr wird sie also abgeben können. Weitere Mechanismen sind die einstweilige Speicherung von Aminosäuren in Leberprotein (ähnlich dem Glycogen, welches für Notzeiten gespeichert wird) und Plasmaproteinen, die wiederum bei Bedarf herangezogen werden können. Weiterhin können Aminosäuren in andere Aminosäuren umgewandelt werden (Transaminierung), je nachdem, was zu dem betreffenden Zeitpunkt benötigt wird. Oder sie können desaminiert werden, was schlicht und einfach heißt, dass ihre Aminogruppe abgespalten werden kann, und daraus eine Ketosäure entsteht. Das kann zwar als Verlust angesehen werden, da diese Ketosäuren in diesem Moment nicht zur Bildung von körpereigenen Proteinen herangezogen werden können, muss aber nicht, da sie andere Funktionen im Körper übernehmen. Der dadurch entstehende Stickstoffüberschuss lässt sich dann durch die Harnstoff- und Harnsäureausscheidung über die Niere feststellen (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch Purine als Stickstofflieferanten mit einbezogen werden müssen). Letztendlich ist es aber nur das, was sich viele Sportler wünschen. Die positive Stickstoffbilanz ist ja nichts anderes als das Zuviel in der Nahrung, die man messen kann. Dazu muss man aber auch sagen, dass der Körper bemüht ist, die Niere eben dadurch nicht zu überlasten, der Anteil wird also möglichst gering gehalten.

Wenn man jetzt alles betrachtet
- Die Magenverweildauer
- die Darmtransitzeit, was ja schon einige Stunden in Anspruch nehmen kann (selbst wenn man nur den Dünndarm, der ja eine beachtliche Länge hat, berücksichtigt)
- die Mechanismen der Leber, und die Tatsache, dass ein Teil der Proteine im kurzzeitigen Hungerzustand aus dem "Abfall" des Darms (Mikroorganismen und Darmzellen) stammt

dann kann die Mutmaßung, dass eben nur 30g von 160g wirklich genutzt werden, so nicht hinhauen. Und auch wenn ein gewisser Teil bei der Verdauung "verlorengeht", so schadet eine gesunde und durch diesen Verlust gut genährte Darmflora nicht - im Gegenteil.

Interessant ist aber vielleicht auch noch zu wissen, dass bei den Angaben zur empfehlenswerten Proteinaufnahme immer ein Sicherheitszuschlag von ca. 25-30% besteht. D.h. die benötigte Menge an Proteinen kann alles in allem auch durch wenige große Mahlzeiten gedeckt werden. Und ganz unwissenschaftlich gesagt: unsere Steinzeitvorfahren hatten kaum eine andere Wahl als dies zu tun, da keine Fleischtheke vorhanden war, die alle 4 Stunden ein kleines Steak offerierte...
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben