Hallo Vicky,
ich gehe davon aus, dass deinen Diätversuchen schon eine große Menge Informationssammlung vorausgegangen ist. Dementsprechend erzähle ich dir vermutlich nichts neues, wenn ich als prinzipielle Abnehmgrundlage die negative Energiebilanz anspreche (es muss mehr Energie verbraucht werden, als durch Nahrungszufuhr reinkommt). Ob das nun an einem Tag stattfindet (z.B. jeden Tag nur eine begrenzte Kilokalorienzahl), oder über eine bestimmte Zeiteinheit (z.B. pro Woche eine bestimmte Kilokalorienzahl, wobei ein Tag mit mehr Energie durch einen Tag mit weniger ausgeglichen wird) ist dabei egal. Letzteres finde ich persönlich alltagstauglicher, da Hunger, Appetit und Sättigung sowieso immer etwas anders ausfallen, und eben auch mal geplante (Geburtstage, Essenseinladungen etc.), oder auch mal ungeplante (Freunde kommen mit Kuchen vorbei, Heißhungerattacke) Ausreißer nach oben stattfinden. Das 5:2-Konzept agiert dementsprechend damit, dass man eben nicht gezwungen ist, sich bestimmte Lebensmittel zu verkneifen, und ständig mit Blick auf den Energiegehalt eines Lebensmittels zu essen. Dementsprechend finde ich es durchaus praktikabel, wenn man denn 2 Tage pro Woche mit wirklich wenig auskommt. Das ist letztendlich eine Angelegenheit, die man nur für sich selbst durch probieren rausfinden kann. Patentlösungen, die auf alle zutreffen, und da auch funktionieren, gibt es in der Praxis nicht.
--
Wichtig ist aber auch, erst einmal zu akzeptieren, dass ein rundum gesundes Essen nicht klar definiert ist (es wird zwar viel propagiert, aber das Wenigste davon ist eindeutig erwiesen), und dass ein Teil deiner Entscheidungen, die du zum Thema Essen triffst, weder wirklich bewusst, noch rational sind. Die Tatsache, dass du deine bisherigen Diätbemühungen nicht durchgehalten bestätigen dir genau diese Tatsache. Im Klartext heißt das: Disziplin ist nur bis zu einem gewissen Punkt durchsetzbar. Im Umkehrschluss heißt das dementsprechend auch, dass man nicht zwangsläufig disziplinlos ist, wenn man bestimmte vorgefertigte Ernährungsformen nicht durchhält, auch wenn dies die gesellschaftlich gängige Meinung zu dem Thema ist.
--
In der Praxis heißt das: jeder Mensch hat für die Auswahl der Lebensmittel, die er einkauft und isst viele Motive, die zusammen oder auch gegeneinander arbeiten. Z.B.
-> Diättauglichkeit
-> der Geschmack (schmeckt: gutes Gefühl, schmeckt nicht: ungutes Gefühl, essbar, aber nicht die Geschmacksexplosion: neutral)
-> Hungergefühl (ich hab jetzt Knast, ich brauch was zwischen die Kiemen)
-> Appetit (jetzt was Deftiges, ein Apfel reicht nicht)
-> Optische Eindrücke (von bunten Gummibärchen isst man mehr, als von farblosen)
-> Geruchseindrücke (bei dem Duft läuft mir das Wasser im Mund zusammen)
-> freudige Eindrücke (mein Kind schenkt mir einen seiner Schokoweihnachtsmänner, da kann ich nicht Nein sagen, es freut sich doch so, also essen wir ihn zusammen)
-> wirtschaftliche Bedingungen (der Geldbeutel und seine (Un-)Möglichkeiten, Sonderangebote, größere Packungen zum kleineren Preis)
-> kulturelle Einflüsse (Brot/Brötchen mit Marmelade zum Frühstück, mittags die Dreikomponentenmahlzeit, Kuchen zu bestimmten Anlässen)
-> traditionelle Einflüsse (Weihnachtsplätzchen)
-> Gewohnheiten ("ohne Fleisch keine richtige Mahlzeit")
-> emotionale Wirkung (Süßigkeiten beruhigen und machen kurzzeitig glücklich)
-> soziale Gründe (Wenn ich eingeladen bin, lehne ich Essen nicht ab)
-> Statusbedingungen (ich kann es mir leisten nur bio zu kaufen)
-> Angebotslage (Mensa oder Kantine verfügbar, und keine Zeit zu Hause etwas vorzubereiten)
-> Verträglichkeit (von Vollkorn bekomme ich Blähungen)
-> Neugier (geröstete Maden im Asienurlaub? Mein persönliches Dschungelcamp
)
-> Angst vor Schaden (rotes Fleisch soll krebserregend sein)
-> pädagogische Gründe und die dadurch forcierte Gewohnheit (wenn du etwas gut machst, bekommst du eine Süßigkeit - Kindheit)
-> pseudowissenschaftliche Gründe ("grüner Tee hilft beim Abnehmen")
etc.
--
Fakt ist, dass Essen schlicht überlebensnotwendig ist, man es dementsprechend sehr oft tut, und wir auch darauf ausgerichtet sind. Fakt ist auch, dass wir nicht mehr die Nomaden der Steinzeit sind, die für etwas zu Essen noch sehr viel tun mussten, und sehr oft trotzdem (ver-)hungern mussten. Wir leben in einem Überangebot, sind aber körperlich nicht darauf eingestellt. Der Wunsch nach einer schlanken Figur kollidiert dementsprechend bei vielen mit ihrem biologischen, wie auch psychologischen "Grundprogramm". Wenn man sich jetzt also mal die angeführte Liste für die Motive anschaut, die zum Essen hinleiten, kann man recht leicht erkennen, das die diättauglich rationalen Gründe in der Unterzahl sind, und praktisch mal von den vielen anderen doch schnell mal umgeschubst werden können. Auch gern mal aus dem Hinterhalt. Das erklärt letztendlich, warum man doch mal schnell etwas "verbotenes" isst, obwohl man sich doch fest vorgenommen hat, dies nicht zu tun.
--
Sehr viele Diätwillige - um nicht zu sagen die meisten - schrauben die Ansprüche an sich viel zu hoch und fallen beim Nichteinhalten dementsprechend tief. Im schlechtesten Fall beenden sie ihr Vorhaben mit dem Gedanken, dass es ja eh sinnlos ist, und man auch wieder über die Stränge schlagen kann. Das sich das nicht gut anfühlt und man sich damit durchaus auch minderwertig vorkommen kann, ist eine unschöne Folge. Zur allgemeinen Verbesserung der Lebensqualität trägt diese irrige Vorstellung von Perfektion also nicht bei. Prinzipiell ist es also von vornherein ratsam, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass Erfolge in der Regel nicht linear erreichbar sind. Erst recht nicht, wenn man seine Ernährung sehr radikal umstellt. Rückschritte und "Fehlverhalten" - ich schreibe es bewusst in Anführungsstrichen - sind absolute Normalität. Auch wenn dies in der Diät- und Fitnessbranche gern ignoriert wird (Wie, du hälst das nicht durch? Dir fehlt´s nur an Disziplin!), die Zahlen der Diätbücher, -Programme steigt, während die Zahl der tatsächlich Übergewichtigen nicht sinkt.
--
Das ist letztendlich die Ausgangslage. Für dich heißt es unter diesen Gesichtspunkten, die Ernährungsweise zu finden, die zum einen den Zweck der relativen Kalorienarmut erfüllt, zum anderen aber auch deine biologischen und psychologischen Bedürfnisse befriedigt. Das kann mit der besagten Diät funktionieren. Ohne dir den Mut nehmen zu wollen, würde ich aber die Vermutung aufstellen, dass deine jetzige Planung nicht dazu geeignet ist. Schlicht und einfach, weil dein "normaler" Tag für mich nach einen Diättag aussieht. Zwar nicht mit nur 500-600kcal, aber eben zusammengezimmert aus Diätfutter.
--
Sicherlich dürfen die 5 normalen Tage keinen Energieüberschuss liefern, sonst wäre das gesamte Konzept hinfällig. Dennoch sind sie aber dazu gedacht, den bekannten Diätfrust nicht aufkommen zu lassen. Sinnvoll wäre es dementsprechend, wenn du lernst darauf zu hören, was dein Körper will. Achte darauf, worauf du tatsächlich Appetit hast (Ein Apfel ersetzt geschmacklich kein Schinkenbrot, und ein Körnermüsli keinen Salat) und versuch dem zu folgen. Achte darauf, ob du tatsächlich Hunger hast, oder ob es Durst/Langeweile/Frust/Resignation/schlichte Gewohnheit ist. Baue bewusst Lieblingsessen ein, ggf. in kleineren Portionen. Iss langsam und ohne Ablenkung. Verbiete dir keine Snacks, die du sehr gern magst, sondern versuche nur die Mengen zu limitieren, z.B. 1 Tafel Schokolade für die 5 Tage. Wenn deine Hand automatisch dahin greift, überleg dir, weswegen es jetzt unbedingt dieser Snack sein muss. Wenn man etwas knallhart verbietet, kommt der Heißhunger schneller als einem lieb ist. Bei prinzipiell erlaubten Sachen lässt er länger auf sich warten. Und wenn doch mal eine Attacke stattfindet: hinnehmen und weitermachen. wie gesagt...das ist normal.
Grüße
Maria